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B e s c h l
u ß
des 92. Ordentlichen Landesparteitages
am 5. Januar 2000 in Stuttgart
BILDUNGSPOLITIK
Leitlinien
für die berufliche Ausbildung im dualen System
Grundsätze
- Die F.D.P.
hält am bewährten System der dualen Berufsausbildung in Ausbildungsbetrieben
in Verbindung mit beruflichen Schulen fest, sieht aber einen erheblichen Modernisierungsbedarf.
Dabei geht es einerseits um die Steigerung der Ausbildungsbereitschaft der
Betriebe und andererseits um die Erhöhung der Attraktivität der
dualen Ausbildung im Wettbewerb zu anderen Ausbildungsgängen im Schul-
und Hochschulbereich.
- Ziel der beruflichen
Ausbildung ist die Berufsfähigkeit für alle, die Weiterbildungsfähigkeit
einschließt. Die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung
manifestiert sich auch in den Chancen für leistungsfähigere Jugendliche,
eine ihnen gemäße Qualifikation zu erreichen.
- Die F.D.P.
erwartet von der Wirtschaft, dass sie den von ihr benötigten Fachkräftenachwuchs
primär in eigener Verantwortung ausbildet. Ausbildung ist eine zentrale
Zukunftsinvestition. Darüber hinaus hat sie die Verpflichtung, möglichst
allen Bewerbern ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen zur Verfügung
zu stellen. Die Wirtschaft leistet damit auch einen wesentlichen sozialen
Beitrag für die Gesellschaft.
- Den Betrieben
und den Schulen ist auf örtlicher Ebene eine größere Kompetenz
bei der inhaltlichen Ausgestaltung zu geben. Die Zusammenarbeit zwischen den
ausbildenden Betrieben und den beruflichen Schulen erstreckte sich bisher
fast nur auf organisatorische Fragen.
Die technologische
Entwicklung, die Verlagerung von Produktionszweigen nach wirtschaftlichen
Gesichtspunkten, die unterschiedlichen Anforderungen an Bewerber, die nicht
mehr stabilen traditionellen Berufe lassen eine standardisierte, zentral
verordnete Regelung auf Dauer nicht mehr zu.
- Die F.D.P.
sieht eine gemeinsame Verantwortung, Leistungsschwächere und soziale
Randgruppen in besonderer Weise bei Ausbildung und der Eingliederung in die
Arbeitswelt zu unterstützen.
- Die F.D.P.
lehnt staatlich organisierte Zwangsabgaben der Betriebe zur Ausbildung und
Bereitstellung eines ausreichenden Ausbildungsangebotes ab. Wie schon in der
Vergangenheit wird verstärkt empfohlen, als Anreiz für Ausbildungsleistungen
Betriebe steuerlich zu entlasten.
- Die F.D.P.
fordert die Landesregierung auf, die berufliche Bildung in eigenen Verantwortungsbereichen
bedarfsgerecht zu finanzieren. Um dies zu erreichen, sollen die im Wege der
Privatisierung erzielten Erlöse von Landeseigentum auch zur Finanzierung
der beruflichen Bildung eingesetzt werden.
Die Leitlinien
beziehen sich vor allem auf folgende Forderungen:
- Stärkung
der Berufsvorbereitung in den allgemeinbildenden Schulen.
Die F.D.P.
fordert die Schulverwaltung auf, die Berufsorientierung in den allgemeinbildenden
Schulen auszubauen und die berufliche Lebenswirklichkeit durch handlungsorientierte
Projekte erlebbar zu machen. Ziel ist die Förderung der Berufsausbildungsreife
für alle Schülergruppen. Die guten Ansätze in den allgemeinbildenden
Schulen sind in Kooperation und Partnerschaft mit Handwerk, Handel und Industrie
weiter zu entwickeln. Berufsorientierung kann heute als fester Bestandteil
der Allgemeinbildung verstanden werden.
- Differenzierung
der betrieblichen Berufsausbildung und verstärktes Engagement der Wirtschaft
bei der Ausbildung des eigenen Fachkräftenachwuchses
- Die F.D.P.
fordert die Wirtschaft und deren Berufsverbände auf, ihre Bedürfnisse
zur Modernisierung der dualen Berufsausbildung zu entwickeln und zu formulieren.
Es liegt in erster Linie bei der Wirtschaft, darüber Einvernehmen
herzustellen, welche Reformwege sie gehen will.
- Die F.D.P.
fordert, den Reformstau bei der Anpassung der traditionellen Berufsbilder
an die neueren Entwicklungen zu überwinden. Die Entwicklung neuer
Berufsbilder muss den technologischen Entwicklungen in einzelnen Berufsbereichen
entsprechen. Die Stärkung der fachlichen Fremdsprachenkompetenz ist
unverzichtbar.
Der weitaus
größere Bedarf an Modernisierung besteht in der Anpassung
bereits bestehender Berufsbilder an die Bedürfnisse der Praxis.
Die Reform bestehender Berufsbilder darf nicht der Euphorie zur Schaffung
neuer Berufsbilder geopfert werden. Neue Berufsbilder entwickeln sich
zwar fast ausschließlich um die neuen Technologien; die weitaus
größere Zahl der Ausbildungsverhältnisse wird in den
traditionellen Berufen realisiert.
- Die F.D.P.
fordert die Entwicklung und Erprobung differenzierter Ausbildungskonzepte,
wie sie zum Teil mit dem Schlagwort "Modularisierung" umschrieben
werden. Damit meint die F.D.P., dass die Ausbildungspartner sich entsprechend
bestehender Empfehlungen um eine innere Differenzierung und Abstimmung
der zeitlichen und fachlichen Unterweisung bemühen sollen. Die Leitlinien
"Wege zu einer modernen Beruflichkeit" zur Ausbildungsreform
des DIHT, in denen berufsprägende Grundqualifikationen, Wahlpflichtbausteine,
und Wahlbausteine unterschieden werden, geben wichtige Anregungen.
- Die Attraktivität
der dualen Ausbildung als Alternative zum Studium hat deutlich zugenommen.
Auszubildende mit Hochschulreife sind überwiegend im öffentlichen
Dienst, in Industrie und Handel, speziell auch in den neuen Medien- und
IT-Berufen vertreten. Differenzierte Ausbildungskonzepte müssen sich
auf diese Entwicklung einstellen. So sollten Zusatzqualifikationen bereits
während der Ausbildung erreichbar sein (integrierte Aus- und \/Veiterbildung).
Darüber hinaus sind Anstrengungen zu unternehmen, auch die Fertigungsberufe
für Abiturienten attraktiver zu machen.
- Die F.D.P.
fordert eine unverkrampfte Diskussion zur Verbesserung der beruflichen
Eingliederung für leistungsschwächere Schüler. Es wird
bei der rasanten Entwicklung des Wissens nicht ausbleiben, dass Leistungsschwächere
ohne entsprechende Förderung "auf der Strecke" bleiben.
Deshalb gehört diesen unser ganzes Augenmerk zur Förderung einer
beruflichen Integration.
- Ausbau und
Stärkung der Beruflichen Schulen als berufsqualifizierende Instanzen
der Berufsvorbereitung, der berufsbegleitenden Ausbildung und Stärkung
der Kompetenz bei den Abnahmen von Prüfungen.
- Die F.D.P.
fordert die Landesregierung auf, die unterrichtliche Versorgung in den
beruflichen Schulen als ihren partnerschaftlichen Auftrag gegenüber
der Wirtschaft zu erfüllen.
- Die F.D.P.
wünscht, dass eine einvernehmliche Abstimmung zwischen Beruflichen
Schulen und Betrieben zur Lage und Verteilung des Berufsschulunterrichtes
erfolgt. Die Beruflichen Schulen haben ihre Bildungsangebote nach Bildungsgruppen
mit den Beteiligten - vor allem den Betrieben - abzustimmen. Der berufsbegleitende
Unterricht soll im Benehmen mit den Ausbildungsbetrieben vor Ort inhaltlich
und zeitlich festgelegt werden.
- Die F.D.P.
fordert eine zunehmende Differenzierung in den Berufsvorbereitungsjahren
(BVJ) an den Beruflichen Schulen und eine größere Flexibilität
in der Unterrichtsgestaltung. Den Beruflichen Schulen ist dabei ein größeres
Maß an Eigenverantwortung einzuräumen. Die Schulleiter entsprechender
Schulen sind aufgefordert, die bereits zugestandene Flexibilität
voll auszuschöpfen.
- Auf der
Grundlage der bisherigen effektiven Zusammenarbeit wird empfohlen, die
Berufsschulen bei den Abschlussprüfungen zur betrieblichen Berufsausbildung.
stärker einzubinden. Entsprechende Regelungen sind im Berufsbildungsgesetz
zu schaffen.
- Bildung von
Hilfeketten in den Arbeitsamtsbezirken für benachteiligte Jugendliche
zur Betreuung von nicht versorgten Schülern beim Übergang von Schule
und Beruf in Kooperation von Arbeitsverwaltung, Wirtschaft, Beruflicher Schule
und Jugendhilfe.
- Die F.D.P.
fordert die Landesregierung, die Landkreise, die Wirtschaft, die Beruflichen
Schulen, die Kirchen, die Gewerkschaften und alle interessierten Gruppen
auf, sich gemeinsam mit der Arbeitsverwaltung zur Bildung regionaler Hilfeketten
zusammenzufinden. Mit dem Einsatz von Jugendberufshelfern und Lehrstellenwerbern
konnte in der Regie des Arbeitsamtsbezirks Schwäbisch Hall die Zahl
der unversorgten Bewerber drastisch gesenkt werden.
- Die F.D.P.
fordert die Landesregierung und die Arbeitsverwaltung auf, sich dauerhaft
an der Finanzierung der Jugendberufshilfe in den beruflichen Schulen zu
beteiligen.
- Die Bundesanstalt
für Arbeit wird aufgefordert, die Mittel für benachteiligte
Jugendliche bei der Ersteingliederung in Ausbildung und Arbeit im erforderlichen
Umfang bereitzustellen. Auch die Förderung im Zusammenhang von gescheiterten
Berufseinstiegen und schicksalhaften Berufsverläufen macht ein verstärktes
finanzielles Engagement erforderlich.
- Die F.D.P.
fordert, dass leistungsschwächere Jugendliche, die keine Ausbildung
durchlaufen können, zur Arbeit pädagogisch angeleitet und im
Rahmen des Programms Arbeit-Qualifizierung-Jugendlicher (AQJ) oder mit
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Jugendliche (Jugendlichen-ABM)
gefördert werden.
- Evaluation
der staatlichen Förderung und Bestimmung der Ziele für künftige
Haushalte.
Die F.D.P. fordert
die Politiker und die zuständigen Körperschaften des öffentlichen
Rechtes auf, Verfahren zu entwickeln, damit Verfahren eine plausible und abgestimmte
Information über Lage und Entwicklung auf dem Ausbildungsstellenmarkt erfolgen
kann. Insbesondere wird die Bundesregierung aufgefordert, das System der statistischen
Aussagen zum Bedarf bei der beruflichen Ausbildung zu reformieren. Kammerstatistiken
und Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit sind organisatorisch zu harmonisieren,
um die Diskrepanz bei den interessenbestimmten Verlautbarungen aufzuheben. include("footer.inc"); ?>