B e s c h l u ß
des 92. Ordentlichen Landesparteitages
am 5. Januar 2000 in Stuttgart

 

SOZIAL- UND GESELLSCHAFTSPOLITIK

 

Liberale Grundzüge einer zukunftsfähigen Alterssicherung

Angesichts der wirtschaftlichen und demographischen Entwicklungen besteht für alle Systeme der Alterssicherung grundsätzlicher Reformbedarf. Wir Liberalen wollen Anstöße geben und Vorschläge einbringen, für Maßnahmen, die zu einer dauerhaft verlässlichen Alterssicherung für alle Bürgerinnen und Bürger in allen Systemen führen sollen.

Dabei setzen wir auf ein Prinzip, das auf drei Säulen beruht:

  1. Basissicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung (GRV)
  2. Eigenvorsorge im Kapitaldeckungsverfahren
  3. Betriebliche Altersversorgung im Kapitaldeckungsverfahren

Die Stabilisierung dieses Systems kann nur in einem Gesamtkonzept gelingen, wenn Veränderungen an einer der drei Säulen gleichzeitig die Wirkungen auf die anderen mit berücksichtigt: So muss zwingend die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung hin zu einer Basissicherung durch eine Stärkung der Eigen- vorsorge und der betrieblichen Altersversorgung flankiert werden.

Eine Stabilisierung der im Umlageverfahren organisierten gesetzlichen Rentenversicherung ohne eine Ausweitung des Kreises der Pflichtversicherten wird nur möglich sein, wenn gesamtgesellschaftliche, nicht durch Beiträge gedeckte Leistungsansprüche, transparent gemacht und ausschließlich aus Steuermitteln finanziert werden. Darüber hinaus dürfen keine Bundeszuschüsse in das Rentensystem fließen.

Das gegliederte System von GRV, eigener Versorgung der Beamten, berufs- ständischer Versorgungswerke, Alterssicherung der Landwirte und Landwirtsfrauen (ALG) und privater Vorsorge hat sich bewährt und kann unter der oben genannten Prämisse aufrechterhalten werden. Die demographische Entwicklung wird allerdings z.B. auch bei der Versorgung der Beamten zu weiteren Veränderungen führen müssen.

  1. Basissicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung

    Zum Umlageverfahren in der GRV sehen wir keine tragfähig- und konsensfähige Alternative angesichts der Umstellungsproblematik, die ein radikaler Systemwechsel mit sich brächte.

    Die Liberalen fordern daher einen Ausgleich zwischen allen Generationen, um ein systemimmanentes, zukunftsfähiges Rentenmodell zu entwickeln.

    Eine steuerfinanzierte Grundrente lehnen wir deshalb ab, da sich die Lebensleistung in der beitragsbezogenen Rentenhöhe wiederspiegeln soll. Das Ziel der F.D.P. Kapitaldeckungselemente in der Altersversorgung zu stärken, um von der demo-graphischen Entwicklung unabhängiger zu werden, soll über teilweise schon bestehende private und betriebliche Altersvorsorge erreicht werden. Den Vorschlag, in der gesetzlichen Rentenversicherung einen Zwangs - Kapital-Stock zu bilden, lehnen wir ab. Er wäre nichts anderes, als eine Erhöhung der Rücklage der Rentenversicherung, also gerade nicht die Begründung von individuellen kapitalgedeckten Rentenanwartschaften unter dem Schutz der Eigentumsgarantie. Die erhöhte Rücklage könnte nicht vor Begehrlichkeiten von Finanz- und Sozialpolitikern geschützt werden.

    1. Dem demographischen Wandel muss durch einen demographischen Faktor Rechnung getragen werden. Dies darf nicht durch willkürliche Kürzungen nach Kassenlage erfolgen, sondern muss in vorhersehbarer Weise über einen längeren Zeitraum durch Begrenzung des Rentenanstiegs, der zu einer Basisversorgung führt, erreicht werden. Die dadurch erreichbare Stabilisierung der Beitragssätze lässt den Versicherten den notwendigen Spielraum, in Eigenvorsorge für die Lebensstandardsicherung im Alter Vorsorge zu treffen.

      Dass unumgängliche Kürzungen des Rentenanstiegs auf einen längeren Zeitraum verteilt werden, gebietet auch der Vertrauensschutz gegenüber den derzeitigen Rentnerinnen und Rentnern, die keine Vorsorge mehr treffen können. Wo die Eigenvorsorge wegen der Erwerbsbiographie oder aus anderen Gründen nicht möglich sein wird, muss die Basisversorgung aus Steuermitteln - vorzugsweise im Bürgergeldsystem - aufgestockt werden.

      Eine Aufstockung im Sinne einer Mindestrente in der GRV lehnen wir als systemwidrig ab, weil sie zulasten der Beitragszahler besonders im mittleren Beitragsbereich gehen würde.

    2. Die Finanzierung von Leistungsansprüchen wie z.B. Kindererziehungszeiten, Anrechnungszeiten für Ausbildung und Wehrdienst, Fremdrenten und Ostrenten ist nicht durch Beiträge gedeckt und darf nicht den Pflichtmitgliedern der GRV auferlegt werden, da es sich um gesamtgesellschaftliche Leistungen handelt. Sie müssen jährlich transparent dargestellt und voll aus Steuermitteln finanziert werden. Diese Befreiung des Systems wird die Rendite für alle Beitragszahler erhöhen und durch eine völlige Linearität zwischen Beitragsleistung und Beitragsanspruch zu einer Entlastung gerade der mittleren Einkommen führen.

    3. Eigenständige Alterssicherung für Frauen

      Kindererziehungszeiten, die heute noch in der Regel von Frauen erbracht werden, sind in der Rentenversicherung künftig höher zu bewerten.

      Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels und der individuellen Lebensführung von Frauen und Männern, soll die Erziehungsleistung langfristig auch entgeltlich gewürdigt werden.

      Wer sich der Erziehungsaufgabe widmet, soll dadurch in seiner Rentenbiographie keine Nachteile erleiden.

      Den Vorschlag, zur Finanzierung der Kindererziehungszeiten, die Beiträge nach Familienstand und Kinderzahl zu staffeln, also z.B. Ehepaare ohne Kinder zusätzliche Beiträge zahlen zu lassen, lehnen wir ab.

      Der heute bei Ehescheidungen durchgeführte Versorgungsausgleich muss auch verheirateten Frauen zustehen. Bei der bisherigen Praxis erhalten verheiratete Frauen nur in Form der Hinterbliebenenrente bzw. im Falle einer Scheidung durch den Versorgungsausgleich, die ihr zustehenden Rentenanteile aus der Erwerbsarbeit des Ehegatten.

      Langfristig ist ein fortlaufendes individuelles Rentensplitting bei Ehepartnern anzustreben, die der gesetzlichen Pflichtversicherung unterliegen.

      Zu prüfen ist auch die rentenrechtliche Möglichkeit, während des Bestehens einer Ehe - von Beginn an - das sogenannte Rentensplitting durch eine jeweils hälftige Rentenkontenführung einzuführen.

      Durch die reformierte, durchgängig getrennte Kontenführung von Ehegatten würde eine eventuelle persönliche Unterversicherung sichtbar gemacht und die verheirateten Partner könnten rechtzeitig gegensteuern und zusätzliche Eigenvorsorge treffen.

  2. Eigenvorsorge

    Da die Eigenvorsorge als zweite Säule in der Zukunft eine noch stärkere Bedeutung haben wird, fordern wir - statt Zwangslösungen - die Bereitschaft zu freiwilligen Lösungen, bei denen ein Kapitalstock aufgebaut wird. Dies erfolgt heute schon in Form von Lebensversicherungen, Wohneigentumsbildung, Rentenfonds. u.ä.

    Das Vermögen der privaten Haushalte betrug 1998 nach Abzug der Schulden rund 8.500 Mrd. DM. Staatlich verordnete Sparmassnahmen sind also überflüssig. Die Bürger entscheiden selbst, ob und wie sie Mittel zur Altersvorsorge anlegen.

    Dafür müssen die Rahmenbedingungen verbessert und insbesondere im Steuerrecht Anreize geschaffen werden. So sollen grundsätzlich Beiträge zur Altersvorsorge steuerlich freigestellt werden und im Gegenzug kann der Rentenertrag dann steuerpflichtig werden.

    Bei niedrigen Einkommen, die keine oder nur eine unzureichende Steuerbegünstigung erreichen, muss auf anderem Wege (Negativsteuer oder direkte Zuzahlung) ein Ausgleich geschaffen werden. Es muss aber gewähr-leistet sein, dass nach wie vor Anreize zur Eigenvorsorge vorhanden sind.

    Solange die Steuerfreiheit für Anlagen zur Altersvorsorge nicht gegeben ist, lehnen wir aus Vertrauensschutzgründen steuerliche Eingriffe z.B. bei bestehenden Lebensversicherungsverträgen entschieden ab.

  3. Betriebliche Altersvorsorge

    Nur noch rund 3,6% des Einkommens der über 65jährigen stammen heute aus der betrieblichen Altersversorgung. Wegen der schlechten Rahmenbedingungen gehen die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung weiter zurück. Verbesserungen sind dringend notwendig, um die betriebliche Altersversorgung wieder zu einem wesentlichen Bestandteil der Alterssicherung zu machen. Wir schlagen folgende Maßnahmen vor:

    1. Für Leistungen aus Pensionskassen oder Direktversicherungen muss schritt-weise das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung eingeführt werden, damit der Aufbau eines Vorsorgevermögens ohne steuerliche Belastung möglich ist.

    2. Wir setzen uns für die Zulassung von Pensionsfonds nach angelsächsischem Muster ein. Die Auslagerung der Mittel für die Altersvorsorge aus dem Unternehmen hat für den Arbeitnehmer den Vorteil, dass das Konkursrisiko des Unternehmens für ihn endgültig entfällt. Die Absicherung durch einen Pensionssicherungsverein ist nicht mehr notwendig. Die Pensionsfonds verschaffen dem Arbeitnehmer mehr Flexibilität, weil der Anspruch auf angelegte Mittel bei einem Arbeitsplatzwechsel erhalten bleibt. Der Arbeitgeber erhält Planungssicherheit, da Pensionsfonds auch Beitragszusagen ermöglichen.

      Mit der Zulassung von Pensionsfonds können Mittel der betrieblichen Alters-vorsorge rentabel am Kapitalmarkt angelegt werden. Die Kapitalmärkte werden so gestärkt. Wichtig ist, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich frei entscheiden können, ob und in welchen Pensionsfond sie einzahlen. Der Gesetzgeber muss die Anlagefreiheit garantieren.

    3. Für die künftige Ruhestandsversorgung der Beamten, die eine nicht aufgedeckte Verschuldung des Staates darstellt, werden ebenfalls Pensionsfonds oder Versorgungswerke eingeführt (siehe Rheinland-Pfalz). Auch die Beamten können ihre Versorgungskasse frei wählen.

      In diesem Zusammenhang ist auch die unterschiedliche Besteuerung von Arbeitnehmerrenten und Beamtenpensionen zu vereinheitlichen.