Neue Strukturen für die Hochschulen - mehr Autonomie und Wettbewerb durch neue Formen der Hochschulfinanzierung

(Beschluss des Landeshauptausschusses am 8. April 1995 in Schwäbisch Gmünd)

Mit dem quantitativen Ausbau der Hochschulen ist Baden-Württemberg Bildungsentscheidungen von Eltern und Abiturienten und nicht zuletzt steigenden Qualifikationsanforderungen in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung gefolgt. Diese Entwicklung ist nicht abgeschlossen; ihre Umkehr ist weder möglich noch wünschenswert.

Die Finanzausstattung der Hochschulen hat mit dieser Entwicklung bei weitem nicht Schritt gehalten. Angesichts des Finanzbedarfs der Hochschulen auf der einen, der finanziellen Situation des Landes auf der anderen Seite ist festzustellen: eine

bedarfsgerechte Finanzierung des Hochschulsystems ist nur dann dauerhaft zu

sichern, wenn

Globalhaushalte sind die der Autonomie der Hochschulen angemessene Form der Hochschulfinanzierung. Die Hochschulen brauchen kurzfristig über das erreichte Maß hinaus eine weitere Flexibilisierung der Haushalte bis hin zu Globalhaushalten. Globalhaushalte werden aber nur bei einer leistungsbezogenen Mittelzuweisung, also unter Wettbewerbsbedingungen, zu mehr Effizienz speziell im Bereich der Lehre führen. Es ist außerdem zu prüfen, ob kurzfristig eine Umstellung der klassischen kameralistischen Haushaltsführung an den Universitäten nicht zu einer effizienteren und kontrollierbareren Verwendung der Mittel an den Universitäten führt.

Erforderlich ist deshalb eine Umverteilung der zur Finanzierung der Lehre bestimmten staatlichen Mittel in Form von Pro-Kopf-Beträgen je Studierenden bezogen auf die Zahl der Studierenden innerhalb der Regelstudienzeit plus ein Semester. Dadurch entstehen ökonomische Anreize für die Hochschulen, Studiengänge so zu organisieren, dass sie innerhalb von Regelstudienzeiten absolviert werden können; ebenso werden Anreize für eine intensivere Beratung und Betreuung der Studierenden gesetzt. Die verlässliche Aussicht auf zusätzliche Mittel, die mit der Aufnahme zusätzlicher Studierender verbunden sind, wird die Numerus-clausus-Situation wesentlich entschärfen, weil die Hochschulen bereit sein werden, bis zu einer mit Geld nicht mehr erweiterbaren Kapazitätsgrenze Studierende aufzunehmen.

Dabei gilt es, Fehlsteuerungen zu vermeiden: Es kann nicht allein darum gehen, möglichst viele Studierende in möglichst kurzer Zeit durch die Hochschulen zu schleusen, sondern es gilt zugleich, den Ausbildungsauftrag der Hochschulen zu gewährleisten und eine hohe Qualität der Ausbildung zu sichern. Um dies zu gewährleisten, müssen erweiterte Möglichkeiten des Wettbewerbs zwischen den Hochschulen hinzukommen: Die Verteilung von Studierenden auf die Hochschulen durch zentrale Vergabestellen wird abgelöst durch den Wettbewerb der Hochschulen um die Studierenden und der Studierenden um die Hochschulen mit Hilfe hochschuleigener Zulassungsverfahren. Es ist zugleich dafür zu sorgen, dass es für Hochschulbewerber bessere Informationsmöglichkeiten gibt, um die Suche nach Studienplätzen auch für die Studierenden effizient zu gestalten.

Dieser Wettbewerb wird auch Qualitätsunterschiede zwischen den Hochschulen (bzw. zwischen einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen der Hochschulen) deutlich machen. Nicht nur Absagen der Hochschulen an die von ihnen für weniger geeignet eingeschätzten Studierenden sind zu erwarten, sondern auch Absagen von Studierenden an für weniger gut eingeschätzte Hochschulen. Der Wettbewerb führt damit notwendigerweise zu Maßnahmen zur Verbesserung der Lehre: Die Hochschulen erhalten Signale zur Qualitätsverbesserung und zur optimalen Ausnutzung ihrer Kapazitäten zugleich.

Neben der Schaffung von in dieser Form leistungsbezogen ausgestalteter Globalhaushalten ist den Hochschulen auch das Eigentum an den von ihnen genutzten Gebäuden mit voller Verantwortung für deren Unterhalt, Modernisierung, Sanierung, Aus- und Neubau zu übertragen. Dabei ist nicht die einfache Überlassung der Gebäude an die Hochschule der richtige Weg, sondern der Erwerb durch die Hochschulen auf der Grundlage entsprechend ausgestatteter Haushalte; nur auf diese Weise kann der unterschiedliche Wert der Gebäude angemessen Berücksichtigung finden.

Schließlich muss den Hochschulen die Dienstherrenfähigkeit verliehen werden, so dass Professoren und andere wissenschaftliche Mitarbeiter Beamte oder Angestellte der Körperschaft Hochschule werden.

Dies alles führt zu Strukturen, die wirtschaftliches Verhalten fördern, die den Hochschulen ein sehr viel größeres Maß an Verantwortung zumessen, die mehr Autonomie und mehr Effizienz gleichermaßen erreichen. Auch für die Entscheidungsfindungsprozesse an den Hochschulen werden teilweise neue Strukturen erforderlich werden. Die Änderung der Hochschulfinanzierung darf aber nicht die einzige Maßnahme bleiben, um den Hochschulbetrieb effizienter zu gestalten und leistungsfähig zu erhalten. Weitere strukturelle Änderungsvorschläge z.B. durch bessere Betreuung der Studenten, mehr Mitwirkungsmöglichkeiten der am Studienleben Beteiligten oder Differenzierung der Studienlaufbahnen müssen unter Anhörung aller am Hochschulleben Beteiligten gemacht werden.

Eine neue Personal- und Aufgabenstruktur ist zu entwickeln, die den erweiterten Entscheidungsrahmen ausfüllt und zugleich den stark gestiegenen Dienstleistungsanforderungen der Hochschulen längerfristig angemessen ist.

Beide Sachverhalte erfordern, dass Professoren ihre Leitungsaufgabe in Lehre und Forschung beibehalten. Sie werden von anderen Wissenschaftlern tatsächlich dadurch entlastet, dass Aufgaben nicht wie bisher zur Durchführung nur delegiert, sondern auf Funktionsstellen eigenverantwortlich wahrgenommen werden.

Zugleich ermöglicht es diese Strukturreform, einen nachhaltigen Abbau der Wissenschaftsbürokratie im Ministerium für Wissenschaft und Forschung zu erreichen; denn ein erheblicher Teil der seitherigen Aufgaben des Ministeriums wird nicht mehr dort, sondern an den Hochschulen selbst in Eigenverantwortung wahrgenommen werden.