Pforzheimer Erklärung für mehr Wachstum und Beschäftigung - Zukunft gewinnen - Beschäftigung schaffen
(Beschluss des 88. Ordentlichen Landesparteitages am 15. März 1997 in Pforzheim)
Die F.D.P. fordert:
1. Mehr Arbeit durch Senkung der Steuern und Abgaben
- Die Große Steuerreform muss zügig umgesetzt werden und in ihren wesentlichen Teilen bereits zum 1. Januar 1998 in Kraft treten.
- Die besonders belastende, weil ertragsunabhängige Gewerbekapitalsteuer muss rückwirkend zum 1. Januar 1997 gestrichen und die Gewerbeertragssteuer gesenkt werden. Die F.D.P. besteht auf einer angemessenen Kompensation für die Kommunen durch erhöhte Beteiligung an der Umsatzsteuer.
- Die F.D.P. bekräftigt ihre Ablehnung der Erhöhung von Abgaben wie beispielsweise beim Wasserpfennig.
- Neuordnung des Länderfinanzausgleichs unter Einbeziehung der Zahlungen des Bundes.
- Senkung des öffentlichen Finanzbedarfs durch striktes Sparen bei den Sach- und Personalkosten sowie Strukturänderungen bei der Verwaltung. Die F.D.P. begrüßt den nachhaltigen Sparkurs der Landesregierung und fordert sie auf, diesen in den nächsten Jahren unverändert fortzuführen, die Gesamtverschuldung stetig zurückzuführen und Privatisierungserlöse für Zukunftsinvestitionen und Schuldenreduzierung zu gleichen Teilen zu verwenden. Weitere Sparmaßnahmen dürfen aber nicht in die investiven Bereiche eingreifen. Die F.D.P./DVP strebt ein gänzliches Verbot der Neuverschuldung außer zu investiven Zwecken an. Neue Verschuldungspositionen müssen mit der Hilfe einer Investitionsrechnung belegt werden. Scheinprivatisierungen sind abzulehnen.
- Die möglichen Privatisierungen sind unverzüglich umzusetzen. Hier darf es angesichts der Haushaltslage keine Tabus geben, nicht bei Rothaus, Heilbronner Salzbergwerke, LEG, nicht bei den Elektrizitätsversorgungsunternehmen, den Banken oder den Landesbetrieben.
- Das Bürgergeld stellt ein Instrument dar, um Steuer- und Transfersysteme zu harmonisieren und effizient zu gestalten. Angesichts der leeren Sozialkassen und der Budgetlage ist dies eine vordringliche Aufgabe. Die F.D.P./DVP fordert den nachhaltigen Einstieg in die von ihr vorgeschlagene Bürgergeldkonzeption. Sie wird hierzu geeignete Maßnahmen vorschlagen.
2. Mehr Arbeit durch Senkung der Lohnzusatzkosten
- Überprüfung und Herausnahme versicherungsfremder Leistungen.
- Die F.D.P. - Bundespartei und die Bundestagsfraktion werden aufgefordert, mit folgenden Eckwerten die dringend notwendige Rentenreform anzugehen:
- Die Rentenbeitragssätze müssen auf Dauer deutlich unter 20 % gesenkt werden.
- Das Umlageverfahren muss durch Elemente privater Kapitaldeckung ergänzt werden, z.B. Zusatzversicherungen wie Betriebsrenten und private Eigenvorsorge wie Lebensversicherungen oder Wohneigentum. Die private Vorsorge ist zu fördern.
- Das Lohnabstandsgebot muss auch unter dem Aspekt der Leistungsgerechtigkeit eingehalten werden.
- Wir brauchen auf längere Zeit Zurückhaltung bei den Löhnen und Gehältern.
3. Mehr Arbeit durch flexiblere Arbeitsbedingungen
- Flächentarifverträge müssen flexibler werden und Freiräume für maßgeschneiderte Lösungen auch für gefährdete Betriebe enthalten: Mehr Lohndifferenzierung, Arbeitszeitflexibilisierung, Vermögensbildung, Berücksichtigung von Fehlzeiten.
- Anhebung des Schwellenwertes für Geltung des Kündigungsschutzgesetzes auf 2O Arbeitnehmer.
- Ausnutzung flexiblerer Arbeitszeiten und befristeter Arbeitsverträge zur Reduzierung der 1,8 Milliarden Überstunden im Jahr. Eine Steigerung der Teilzeitquote um 5 % entspricht 500.000 Arbeitsplätzen.
- Nutzung der neuen Technologien zur Schaffung familienfreundlicherer Arbeitsplätze, z.B. Mobilarbeit und Teleworking.
4. Mehr Arbeit durch Förderung des Mittelstands
- die Bereitstellung von Beteiligungskapital für Unternehmen durch öffentliche und private Beteiligungsgeber wird verstärkt. Darüber hinaus muss das Instrument der Bürgschaft ausgeweitet werden.
- Der Bestandspflege bereits bestehender Betriebe vor Ort muss besondere Aufmerksamkeit gelten.
- Gemeinsame Exportaktivitäten und europäische Kooperationen durch mittelständische Unternehmen werden gefördert.
- Die Möglichkeit für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (610,00 DM-Gesetz) bleibt weiterhin unverändert erhalten.
- Der berechtigte Subventionsabbau im Mietwohnungsbau muss einhergehen mit einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investoren. Hierbei sind primär marktverzerrende Regelungen abzubauen, die vermeintlich dem Mieterschutz dienen, jedoch in der Regel das Gegenteil zur Folge haben und Investitionen erlahmen lassen.
- Einer wettbewerbsorientierten Regelung bestimmter Branchen kommt eine besondere Rolle zu. Wir setzen uns dafür ein, dass die Regulierungsbehörde für Telekommunikation nach dem Telekommunikationsgesetz (TKG) unverzüglich, jedoch spätestens bis zum 30.9.1997 besetzt wird. Die Rekrutierung von Fachkräften erfolgt nicht primär aus dem BMPT oder dem Bundesamt für Post und Telekommunikation (BAPT), da aufgrund mangelnder Trennung zwischen Regulierungs- und Eigentümerinteressen per saldo keine positive beschäftigungspolitische Wirkung erzielt werden wird.
- Innovativen Existenzgründern und Technologieunternehmen kommt für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen eine Schlüsselrolle zu. Für diese Unternehmungen ist Voraussetzung, dass sie Zugang zu den Kapitalmärkten erhalten. Aus diesem Grund ist die Bildung von Risikokapital im Rahmen von Kapitalbeteiligungsgesellschaften zu fördern.
5. Mehr Arbeit durch bessere Bildung, Ausbildung und Fortbildung
- Verstärkter Unterricht über wirtschaftliche Abläufe, Existenzgründungen
- Internationalisierung der Ausbildung auf allen Ebenen
- "International University" - Gründung in der Region Stuttgart
- Lehrstelleninitiative 1997
- Neue Ausbildungsberufe und Modernisierung der Ausbildungsordnungen
6. Mehr Arbeit durch Innovation und Technologie
Das Land muss sich neben der Förderung der Grundlagenforschung noch stärker der angewandten wirtschaftsnahen Forschung widmen durch
- Verbundforschungsprojekte zwischen Forschungsinstitutionen und mittelständischen Firmen, die eine zügige Vermarktung gewährleisten,
- weiteren Abbau des Verwaltungsaufwandes und des Bürokratismus bei der Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Wirtschaft und bei der Abwicklung von Verbundvorhaben,
- Innovationsförderprogramme wie das CI-Programm,
- Ausbau der wirtschaftsnahen Forschungsinfrastruktur.
7. Mehr Arbeit durch Stärkung des Non-Profit-Sektors
- Der Non-Profit-Sektor ist in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich unterrepräsentiert. Ein Ausbau dieser überwiegend personenbezogenen Dienstleistungen bietet die Chance für zusätzliche Arbeitsplätze.
8. Mehr Arbeit durch Strukturveränderungen in der Verwaltung
- Dezentrale Verantwortungsstrukturen und eine dezentrale Budgetverantwortung stärkt die Leistungsbereitschaft, die Flexibilität und die Motivation der Verwaltungen und führt zu mehr Kostentransparenz und Kostenbewusstsein.
Deshalb wollen wir die erfolgreichen Modellversuche zur Erprobung dezentraler Budgetverantwortung ausdehnen mit dem Ziel, die dezentrale Budgetverantwortung beim Land und in den Kommunen so rasch wie möglich flächendeckend einzuführen.
9. Mehr Arbeit durch verstärkte Privatfinanzierung staatlicher Infrastrukturaufgaben
- Die F.D.P. fordert die verstärkte Nutzung privaten Engagements bei der Finanzierung, Planung und Erstellung sowie beim Betreiben bisher traditionell staatlicher Aufgaben, z. B. im Infrastrukturbereich.
- Die F.D.P. begrüßt die aktuellen Initiativen der deutschen Bauwirtschaft zur Mobilisierung privaten Kapitals und privater Managementerfahrung für die Verkehrsinfrastruktur.
- Der Landesvorstand wird zur weiteren Konkretisierung dieser Überlegungen eine besondere Ad-hoc-Arbeitsgruppe berufen, deren Ergebnisse die Grundlage für einen entsprechenden Antrag zum Bundesparteitag sein sollen.